Newsletter zum Arbeitsrecht August 2021


1. Ehrenamt entzieht den Vergütungsanspruch?
Der Arbeitgeber ist Mitglied im Diakonischen Werk und betreibt Krankenhäuser und medizinische Versorgungszentren. Dem zuletzt als Oberarzt beschäftigten Kläger wurde während seiner Tätigkeit in der Mitarbeitervertretung die Vergütung nicht gezahlt, da nach § 19 Abs. 1 Satz 1 MVG-EKD diese Tätigkeit als Ehrenamt, also unentgeltlich ausgeübt wird.
Das Arbeitsgericht sprach dem Kläger die Vergütung zu. Nach der Entscheidung ist es dem Arbeitgeber verwehrt sich auf ein solches kirchliches Verbot zu berufen, um dem Mitglied der Mitarbeitervertretung die Vergütung vorzuenthalten, vgl. ArbG Aachen vom 26.03.2021 – 6 Ca 3433/20.

2. Kita-Erzieherin mit Alkoholsucht außerordentlich gekündigt
Die Arbeitgeberin betreibt mehrere Kindertagesstätten. Eine Erzieherin wurde im Zusammenhang gegebener Alkoholsucht außerordentlich gekündigt. Grundsätzlich bedarf eine solche Kündigung konkrete betriebliche Beeinträchtigungen. Da aber eine ordnungsgemäße und vor allem für die Kinder gefahrlose Kinderbetreuung nicht mehr möglich war, sah das Gericht die außerordentliche Kündigung als gerechtfertigt an, vgl. LAG Rheinland-Pfalz vom 15.04.2021 – 5 Sa 331/20.

3. Müssen Überstunden bezahlt werden?
Spätestens mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird dies zum Streitthema. Arbeitnehmerseitig wird oft übersehen, dass die Darlegungs- und Beweislast dabei grundsätzlich auf Arbeitnehmerseite liegt.
Arbeitnehmerseitig muss insoweit u.a. dargelegt werden, dass die Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet wurde und an welchen konkreten Tagen von wann bis wann gearbeitet wurde. Kommt die Arbeitnehmerseite ihrer Darlegungslast bereits nicht nach, ist ein Zahlungsantrag zum Ausgleich behaupteter Überstunden abzuweisen, vgl. LAG Rheinland-Pfalz vom 19.02.2021 – 8 Sa 169/20.

4. Grundschullehrerin wehrt sich gegen Corona-Maßnahmen
Corona – noch immer ein Thema. In diesem Fall weigerte sich eine Grundschullehrern die arbeitgeberseitig vorgegebenen Corona-Schutzmaßnahmen umzusetzen. Daraufhin wurde sie vom Dienst suspendiert. Zurecht, wie das Gericht bestätigte, vgl. Veraltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 14.06.2021 – 2 L 1053/21.

5. Personalgestellung als Leiharbeit?
Der öffentliche Dienst weist Beschäftigten im Rahmen der sog. Personalgestellung andere Tätigkeitsorte zu anderen Dienstgebern zu. Insoweit stellt sich die Frage, ob dies nicht eine Art von Leiharbeit darstellt. Das Bundesarbeitsgericht hat daher den Gerichtshof der Europäischen Union um die Beantwortung zweier Fragen zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2008/104/EG ersucht.
Das Ergebnis wird darüber entscheiden, ob die Personalgestellung nach § 4 Abs. 3 TVöD in den Anwendungsbereich der Leiharbeitsrichtlinie fällt.

6. Kündigungszugang im Homeoffice
Eine außerordentliche Kündigung muss auch in Pandemiezeiten, in denen Mitarbeitende sich im Homeoffice befinden, fristgemäß erklärt und zugestellt werden. Corona ist bei Fristüberschreitung nicht als höhere Gewalt zu berücksichtigen, vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 31.03.2021 – 23 Sa 1381/20.

7. Anteilige Urlaubskürzung bei Kurzarbeit?
Kurzarbeit „Null“ soll eine Kürzung von Urlaub eben für diesen vollen Monat um 1/12 zulassen, wenn auch im ganzen Monat keine Arbeitstätigkeit erfolgte. Daraus ableitend kann arbeitgeberseitig der Urlaub nicht anteilig gekürzt werden, wenn im Betrieb beispielsweise nur an einzelnen Wochentagen Kurzarbeit gegeben ist, vgl. ArbG Osnabrück vom 08.06.2021 – 3 Ca 108/21.

8. Mitarbeiter/in durchsucht Computer des Kollegen
Grundsätzlich stellt das Durchsuchen eines Mitarbeiter-Computers nach dessen privater Korrespondenz einen wichtigen Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar. Bei jeder Kündigung bedarf es jedoch einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Hier lag ein jahrelanges beanstandungsfreies Arbeitsverhältnis vor und die mitarbeitende Person handelte aus einer nachvollziehbaren starken moralischen Verpflichtung heraus. Im Ergebnis bestätigte das Gericht die Kündigung nicht, vgl. ArbG Aachen vom 22.04.2021 – 8 Ca 3432/20.

9. Fahrrad und Handy als Arbeitsmittel
Hier war der Mitarbeiter als Auslieferer für Essensbestellungen tätig und zwar sollte er das Essen mit dem Fahrrad unter Umgehung etwaigen Verkehrsaufkommens anliefern und für Abweichungen telefonisch erreichbar sein. Das Gericht entschied, dass arbeitgeberseitig Fahrrad und Mobiltelefon zu stellen sind, vgl. Hessisches LAG vom 12.03.2021 – 14 Sa 306/20 und 14 Sa 1158/20.

10. Pflegekraft im Privathaushalt und Mindestlohn
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass bei einer Tätigkeit einer Pflegekraft in einem Privathaushalt in Deutschland der Mindestlohn auch dann zu zahlen ist, wenn die Pflegekraft in einem Privathaushalt tätig wird und nicht aus Deutschland kommt, vgl. BAG vom 24.06.20231 – 5 AZR 505/20.

11. Abfindung plus Turboklausel-Was sagt die Steuer?
Wenn Arbeitsverhältnisse enden, werden mitunter Abfindungen vereinbart. Dabei kann zusätzlich vereinbart werden, dass etwaig erspartes Entgelt, wenn die Arbeitnehmerseite vorzeitig außerhalb der Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis selbst beendet, dieses ersparte Entgelt als zusätzliche Abfindung gezahlt wird. Dies wird als Turboklausel oder Sprinterprämie bezeichnet. Das Hessische Finanzgericht hat bestätigt, dass auch die weitere Abfindung ermäßigt zu besteuern ist, vgl. Hessisches Finanzgericht vom 27.07.2021 – 10 K 1597/20.

12. Eingesperrt in der Toilette
Wird ein Mitarbeiter/in durch eine/n andere/n in der Toilette eingesperrt, so rechtfertigt dies grundsätzlich die fristlose Kündigung, vgl. ArbG Siegburg vom 11.02.2021 – 5 Ca 1397/20.

13. Konkurrenten- (Eil-) Antrag abgelehnt
Im öffentlichen Dienst soll jeder Bürger/in einen gleichen Anspruch auf den Zugang zum Amt haben. Wenn hier Fehler erfolgt sein könnten, muss die betroffene nicht berücksichtigte Person die Besetzung der Stelle verhindern. Dies erfolgt durch einen einstweiligen Antrag und einem Hauptantrag, der sog. Konkurrenten- (Eil-)Antrag. In diesem Fall hat das Gericht den Antrag des nicht berücksichtigten Bewerbers um das Amt des Leiters der Hessischen Generalstaatsanwaltschaft abgelehnt, vgl. VerwG Gießen vom 12.07.2021 – 5 L 1296/21.GI

14. Betriebliche Rentenzusagen
Die lediglich befristete Gewährung einer EU-Rente (Erwerbsminderung) vom gesetzlichen Rententräger hindert nicht per se die Gewährung einer vergleichbaren Rente im Rahmen einer Versorgungszusage durch den Arbeitgeber, vgl. Bundesarbeitsgericht vom 13.07.2021 – 3 AZR 445/20.

15. Begehrte Dienstplanänderung
Die Mitarbeiterin war mit der Einteilung im Dienstplan nicht einverstanden und „bat“ zur Verhinderung ihrer Krankschreibung um eine Änderung des Dienstplanes. Diese als Drohung ausgesprochene Ankündigung stellt an sich einen Grund für eine fristlose Kündigung dar, vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 04.05.2021 – 5 Sa 319/20. Unter Beachtung der langen Beschäftigungsdauer und anderer Kriterien kann im Rahmen dessen aber eine ordnungsgemäße und fristgerechte Kündigung ausreichend sein, so das Landesarbeitsgericht.

16. Nachtzuschlag Ja oder Nein?
Dem Streit liegt ein Tarifvertrag zugrunde, der die Zuschläge für Nachtarbeit und die Zeiten hierzu regelt. Der Kläger hält die ihm gegenüber aufgrund des Tarifvertrages gewährten Zuschläge für zu gering. Die Frage wird sein, ob der Tarifvertrag wirksam ist oder gegen europäische Maßgaben verstößt. Daher hat das Bundesarbeitsgericht diese Frage dem Europäischen Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt, vgl. BAG vom 28.07.2021 – 10 AZR 397/20A.

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